17. Dezember 2021
Kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers im Falle der ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung
Arbeitsrecht
(BAG, Urteil vom 22.07.2021 – 2 AZR 125/21)
Gegenstand des Kündigungsschutzverfahrens war die Wirksamkeit einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung. Als Begründung für die Kündigung führte die beklagte Arbeitgeberin ihre wirtschaftliche Belastung im Zusammenhang mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin an. Die Beklagte gewährte der Klägerin in den vergangenen Jahren, in denen die Klägerin immer wieder arbeitsunfähig erkrankte, zahlreiche Leistungen, darunter neben Leistungen der Entgeltfortzahlung auch Zuschüsse zum Krankengeld, Jubiläumsaktien, Boni, Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Nach dem BAG waren erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten und die Kündigung somit nicht gerechtfertigt. Für die Beurteilung der zu erwartenden wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers seien insbesondere die unabdingbaren Entgeltfortzahlungskosten gemäß §§ 3,4 EFZG in einem dreijährigen vergangenheitsbezogenen Referenzzeitraum maßgeblich, wobei unter §§ 3, 4 EFZG auch „arbeitsleistungsbezogene“ Sondervergütungen mit reinem Entgeltcharakter fielen. Die Entgeltfortzahlung verdeutliche eine Störung des Gegenseitigkeitsverhältnisses (Synallagma); der Entgeltfortzahlung stehe keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gegenüber. Demgegenüber seien Zuschüsse zum Krankengeld, die nicht auf einer zwingenden gesetzlichen Verpflichtung beruhten, als freiwillige Leistungen grundsätzlich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers als wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Dasselbe gelte für Leistungen, mit denen ausschließlich bereits erbrachte oder künftige Betriebstreue honoriert werden soll. Dieser Leistungszweck werde durch die Arbeitsunfähigkeit nicht gestört. Das BAG führte weiter aus, dass Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Entgelt erbringt (Sondervergütungen, § 4a EFZG), selbst dann keine kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers darstellten, wenn diese nicht allein für den Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern auch für die Arbeitsleistung gezahlt würden. Die Arbeitsunfähigkeit führe zwar zu einer (teilweisen) Störung des Austauschverhältnisses, § 4a EFZG regele aber eine abschließende Risikozuweisung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit während Krankheit Vereinbarungen über die Kürzung derartiger Sondervergütungen treffen. Fehle es an einer solchen Kürzungsregelung, müsse der Arbeitgeber das Risiko der unverminderten Zahlung tragen.