10. August 2021

Wann ist der Architekt (ausnahmsweise) an seine Schlussrechnung gebunden?

Baurecht und Architektenrecht

(LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 09.04.2021 – 2 O 196/19)

  1. Auch wenn kein Ausnahmefall gem. § 7 Abs. 3 HOAI 2013 vorliegt, der eine von den Vertragsparteien getroffene mindestsatzunterschreitende Pauschalvereinbarung rechtfertigt, kann eine später vom Auftragnehmer im Wege der Korrektur vorgenommene mindestsatzorientierte Abrechnung im Einzelfall gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verstoßen, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung vertrauen durfte und sich zudem in schützenswerter Weise auf die Zugrundelegung dieser Vereinbarung eingerichtet hat (vgl. BGH, IBR 2009, 35).
  2. Eine derartige Konstellation liegt vor, wenn

– der Architekt oder Ingenieur mit dem Auftraggeber nicht nur einen Vertrag, sondern in einer ständigen, über mehrere Jahre währenden Geschäftsbeziehung eine Vielzahl von Verträgen geschlossen hat, in denen die Preisvereinbarungen unter den Sätzen der HOAI lagen;

– nach Beendigung und Abrechnung der Bauvorhaben bis zur Erstellung der korrigierten Schlussrechnungen mehrere Jahre (im vorliegenden Falle: fünf Jahre) vergangen waren;

– der Auftraggeber keine Veranlassung hatte, mit Nachforderungen zu rechnen, er aus diesem Grunde keine Rücklagen gebildet hat, die Höhe der nachgeforderten Summe zu den ursprünglich einkalkulierten Kosten außer Verhältnis steht und die Nachforderung deshalb für den Auftraggeber eine besondere Härte bedeutet.

 

 

 

10. Juli 2021

Bauvertrag: Sind mit einem Pauschalfestpreis sämtliche Bau- und Nebenleistungen abgegolten?

Baurecht und Architektenrecht

(OLG Köln, Urteil vom 30.01.2020 – 3 U 42/05; BGH, Beschluss vom 24.03.2021 – VII ZR 28/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen))

Haben die Parteien eines Bauvertrags einen Pauschalfestpreis vereinbart, kann der Auftraggeber grundsätzlich davon ausgehen, dass sämtliche Bau- und Nebenleistungen, die zur Erreichung der vereinbarten Bauleistung notwendig sind, von dem Pauschalfestpreis umfasst sind.

10. Juni 2021

Bauträgervertrag: Schöner ist auch teurer!

Baurecht und Architektenrecht

(KG, Urteil vom 19.11.2019 – 27 U 134/16; BGH, Beschluss vom 12.08.2020 – VII ZR 298/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen))

1. Liegt dem Bauträgervertrag ein Ausstattungskatalog zu Grunde und kann der Erwerber unabhängig von der Herstellerfirma gleichwertige Objekte und Materialien auswählen, steht dem Bauträger ein Anspruch auf Mehrvergütung zu, wenn sich der Erwerber eine höherwertige Ausstattung aussucht.
2. Von einer in einem notariellen Kaufvertrag vereinbarten Schriftformklausel für Nachträge kann durch eine mündliche Vereinbarung der Vertragsparteien Abstand genommen werden.
3. Eine vereinbarte Vertragsstrafe kann nicht geltend gemacht werden, wenn der Erwerber bei der Abnahme keinen entsprechenden Vorbehalt erklärt hat.

10. Februar 2021

Bauvertrag: Klammerzusatz einvernehmlich eingefügt: Vertragsstrafe individuell ausgehandelt?

Baurecht und Architektenrecht

(KG, Urteil vom 09.03.2018 – 21 U 61/15; BGH, Beschluss vom 24.03.2021 – VII ZR 76/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen))

1. Das Einfügen eines (vermeintlich) klarstellenden Klammerzusatzes in eine vorformulierte Vertragsstrafenklausel hat nicht zur Folge, dass die Klausel individuell ausgehandelt wurde, sondern kann sogar zu ihrer Intransparenz führen.
2. Ein Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz von Ersatzvornahme- und Mangelverfolgungskosten setzt voraus, dass die einschlägigen vertraglichen oder gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Der bloße Verweis auf eine als Anlage beigefügte Kostenaufstellung reicht insoweit nicht.

25. Oktober 2017

Objektplaner muss sich mit der Nachbarbebauung befassen!

Baurecht und Architektenrecht

(OLG Jena, Urteil vom 17.09.2015 – 1 U 531/14; BGH, Beschluss vom 30.08.2017 – VII ZR 245/15 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Der Objektplaner muss sich mit den Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Nachbarbebauung befassen. Es gehört zu den Grundkenntnissen des Objektplaners, dass mit dem Bauvorhaben der Gründungshorizont einer bereits bestehenden Nachbarbebauung beeinflusst wird.Es gehört weiter zu den Grundkenntnissen des Objektplaners, dass das Rammen und Ziehen von Spundwänden massive Erschütterungen und Setzungen mit sich bringen kann.

Weder das Baugrundgutachten noch die Planung des Ingenieurs enthielten eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit die vorhandene Nachbarbebauung durch das Bauvorhaben beeinflusst und in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Dies stellt einen gravierenden Planungsfehler des Ingenieurs dar.

Der Ingenieur verletzt seine Hinweispflicht, weil er nicht auf das unvollständige Gutachten hinweist. Wäre dies sein einziger Fehler, müsste angesichts der Glasfassaden-Entscheidung (BGH, Urteil vom 27.11. 2008 – VII ZR 206/06, IBRRS 2009, 0005) über eine Kürzung des Anspruchs des Bauherrn nachgedacht werden. Es liegt darüber hinaus aber auch ein eigener Planungsfehler des Ingenieurs vor, da dieser versäumte, in seiner Planung selbst die Nachbarbebauung zu berücksichtigen. Dies steht nicht im Zusammenhang und erst recht nicht in Abhängigkeit zum Baugrundgutachten. Für die eigene fehlerhafte Planung haftet der Ingenieur in voller Höhe. Neben dem Ingenieur haftet auch der Baugrundgutachter: Es liegt eine Gesamtschuld zwischen den Beteiligten vor: beide Pflichtverletzungen haben zum entstandenen Schaden geführt. Dem Ingenieur steht daher ein Regressanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB gegen den Baugrundgutachter zu, so dass zwischen den Beteiligten eine Haftungsquote nach Verursachungs- und Verantwortungsanteilen zu bilden sein wird.

7. Oktober 2017

Schadensersatz wegen Mängeln gefordert: Keine Rückkehr zum Vorschussanspruch!

Baurecht und Architektenrecht

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2016 – 21 U 180/15)

Macht der Auftraggeber den mangelbedingten Schadensersatzanspruch geltend, so erlischt der Nachbesserungsanspruch nach § 634 Nr. 1 BGB. Mit dem Nachbesserungsanspruch erlischt der Anspruch des Auftraggebers auf Kostenvorschuss für eine Ersatzvornahme. Eine Rückkehr vom mangelbedingten Schadensersatzanspruch zum Kostenvorschussanspruch ist nicht möglich.

Das OLG bestätigt auf ganzer Linie die Klageabweisung durch das Landgericht. Der vom AG auch in zweiter Instanz vorrangig verfolgte Schadensersatzanspruch nach § 634 Nr. 4 BGB scheitert daran, dass der AG die Ersatzvornahme beauftragt hat, bevor hinsichtlich der geforderten Mängelbeseitigung eine angemessene Nachfrist verstrichen ist. Aber auch die reumütige, hilfsweise „Rückkehr“ zum Kostenvorschussanspruch in zweiter Instanz scheitert. Das OLG versagt dem AG die „Rückkehr“ zum Vorschussanspruch, weil dieser in erster Instanz Schadensersatz gefordert hat. Wählt der AG von den in § 634 BGB genannten Mängelrechten den mangelbedingten Schadensersatzanspruch, so erlischt der Nachbesserungsanspruch und damit der Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung bzw. auf Erstattung der Kosten einer Ersatzvornahme. Eine Rückkehr vom Schadensersatzanspruch zum Kostenvorschussanspruch ist daher (in der Regel) nicht möglich, umgekehrt wohl.

2. August 2017

Wie ist über Vorauszahlungen nach „freier“ Kündigung abzurechnen?

Baurecht und Architektenrecht

(LG Düsseldorf, Beschluss vom 13.02.2017 – 22 S 307/16)

Haben die Parteien eines BGB-Werkvertrags Vorauszahlungen vereinbart, folgt ein etwaiger Rückzahlungsanspruch aufgrund eines sich nach einer kündigungsbedingten Abrechnung ergebenden Überschusses aus dem Vertrag. Für diesen vertraglichen Rückzahlungsanspruch gilt dieselbe Verteilung der Darlegungs- und Beweislast wie für den Anspruch des Unternehmers aus § 649 Satz 2 BGB. Kündigt der Besteller „frei“, ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Gemäß § 649 Satz 3 BGB wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5% der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen. Der Besteller hat ersparte Aufwendungen des Unternehmers und Erlöse aus Füllaufträgen darzulegen und zu beweisen. Den Unternehmer trifft aber – will er eine höhere Vergütung als 5% beanspruchen – hinsichtlich der Ersparnisse und Erlöse eine sekundäre Darlegungslast, da allein ihm Angaben zu derartigen Betriebsinterna möglich sind. Welche Anforderungen an die Abrechnung des gekündigten Werkvertrags zu stellen sind, hängt vom Vertrag sowie den seinem Abschluss und seiner Abwicklung zu Grunde liegenden Umständen ab.

15. Oktober 2016

Sicherheitsverlangen nach § 648a BGB: Keine Berücksichtigung einer Vertragsstrafe!

Baurecht und Architektenrecht

(LG München I, Urteil vom 31.03.2016 – 8 O 179/14)

Eine streitige Vertragsstrafe ist im Verfahren über eine Sicherheitsleistung nach § 648a BGB nicht zu berücksichtigen. Über die Sicherheitsleistung kann im laufenden Klageverfahren über den Werklohn mit Teilurteil entschieden werden.

Für die Entscheidung über den Antrag kommt es ausschließlich darauf an, dass eine Forderung in Höhe des Sicherungsbetrags entstehen kann und noch nicht bezahlt ist. Das Gericht stellt fest, dass bei der Prüfung eines Anspruchs nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht darüber zu entscheiden ist, in welcher Höhe eine Werklohnforderung tatsächlich begründet und fällig ist, und ebenso wenig darüber, ob und wenn ja in welcher Höhe gegenüber dem Zahlungsanspruch Gegenansprüche behauptet werden. Es ist der Gesetzeszweck beim Streit um die Sicherheit Einwendungen, deren Berücksichtigung eine Entscheidung erheblich verzögern würde, nicht zu beachten. Daher verzögert auch die Prüfung, ob eine Vertragsstrafe verwirkt ist oder nicht den Rechtsstreit. Die mögliche Vertragsstrafe ist daher bei der Entscheidung über das Sicherheitsverlangen nach § 648a BGB nicht zu beachten.

Die Entscheidung bestätigt erneut die überragende Bedeutung des Sicherheitsverlangens des Werkunternehmers. Gegenansprüche des Auftraggebers, mit der dieser die Höhe des möglichen Vergütungsanspruchs angreift, sind im Verfahren über die Zahlungssicherheit nicht zu prüfen, wenn diese streitig sind.

3. August 2016

HOAI: Nur das Erforderliche ist zu vergüten!

Baurecht und Architektenrecht

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.05.2015 – 23 U 80/14)

„Begleitet“ ein Architekt eine Baumaßnahme und entfaltet er Tätigkeiten „nach und nach“, je nach den Erfordernissen des Einzelfalls, bezieht sich seine Beauftragung nur auf die Grundleistungen, die erforderlich wurden. Ist dies der Fall, darf der Architekt für die Grundleistungen nur ein Honorar berechnen, das dem Anteil der übertragenen Leistungen an der gesamten Leistungsphase entspricht. Dabei ist die Bewertung nach der Siemon-Tabelle nicht zu beanstanden.

Dies bedeutet: Nur die Grundleistungen, die beauftragt sind, sind zu vergüten. Ohne anderweitige vertragliche Vereinbarung sind nicht erforderliche oder nicht gewünschte Leistungen grundsätzlich auch nicht beauftragt, so dass die betroffenen Leistungsphasen dann auch nicht mit ihren vollen Prozentsätzen anzusetzen sind. Zu beachten ist insoweit auch, dass der Planer grundsätzlich dazu verpflichtet ist, auf die Beauftragung sinnloser, weil nicht erforderlich, Leistungen hinzuweisen. Tut er dies nicht, besteht ohnehin die Möglichkeit (bzw. das Risiko), dass der Vertrag wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten diesbezüglich als nicht geschlossen zu behandeln ist.

 

30. Juli 2016

Einzelrechnungen des Architekten verjähren gesondert!

Baurecht und Architektenrecht

(OLG Köln, Urteil vom 12.12.2013 – 7 U 60/13; BGH, Beschluss vom 15.06.2016 – VII ZR 2/14: Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Handelt es sich bei den Einzelrechnungen des Architekten nicht um Abschlags-, sondern um in sich abgeschlossene Teilschlussrechnungen, beginnt mit Eintritt der Fälligkeit jeweils eine gesonderte Verjährungsfrist zu laufen. Die Parteien eines Architektenvertrags können jedoch abweichend von § 8 Abs. 1 bis 3 HOAI 2002 die Fälligkeit der gesamten Vergütung oder von Teilen hiervon an beliebige Ereignisse knüpfen. Eine Möglichkeit ist die Vereinbarung der Fälligkeit „mit Erhalt der Rechnung“.

Sowohl die Fälligkeitsregelung des § 15 Abs. 2 HOAI als auch die des § 641 Abs. 1 BGB sind vertraglich abdingbar. Das gilt auch, wenn Grundleistungen im Anwendungsbereich der HOAI beauftragt sind. Erfolgt die Abrechnung vereinbarungsgemäß auf Stundenbasis, besteht für eine zunächst nur vorläufige Abrechnung in Form von Abschlagsrechnungen und eine nachfolgende konkrete Schlussrechnung kein Bedürfnis. Dementsprechend kann die „Fälligkeit mit dem Erhalt der Rechnung“ vereinbart werden. Gemäß § 15 Abs. 4 HOAI hat die Vereinbarung schriftlich zu erfolgen.