Wann ist der Architekt (ausnahmsweise) an seine Schlussrechnung gebunden?
(LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 09.04.2021 – 2 O 196/19)
- Auch wenn kein Ausnahmefall gem. § 7 Abs. 3 HOAI 2013 vorliegt, der eine von den Vertragsparteien getroffene mindestsatzunterschreitende Pauschalvereinbarung rechtfertigt, kann eine später vom Auftragnehmer im Wege der Korrektur vorgenommene mindestsatzorientierte Abrechnung im Einzelfall gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verstoßen, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung vertrauen durfte und sich zudem in schützenswerter Weise auf die Zugrundelegung dieser Vereinbarung eingerichtet hat (vgl. BGH, IBR 2009, 35).
- Eine derartige Konstellation liegt vor, wenn
– der Architekt oder Ingenieur mit dem Auftraggeber nicht nur einen Vertrag, sondern in einer ständigen, über mehrere Jahre währenden Geschäftsbeziehung eine Vielzahl von Verträgen geschlossen hat, in denen die Preisvereinbarungen unter den Sätzen der HOAI lagen;
– nach Beendigung und Abrechnung der Bauvorhaben bis zur Erstellung der korrigierten Schlussrechnungen mehrere Jahre (im vorliegenden Falle: fünf Jahre) vergangen waren;
– der Auftraggeber keine Veranlassung hatte, mit Nachforderungen zu rechnen, er aus diesem Grunde keine Rücklagen gebildet hat, die Höhe der nachgeforderten Summe zu den ursprünglich einkalkulierten Kosten außer Verhältnis steht und die Nachforderung deshalb für den Auftraggeber eine besondere Härte bedeutet.