28. Mai 2021

Auslegung von Testamenten

Erbrecht

(OLG Bamberg, Beschluss vom 14.10.2020 – 3 W 43/20)

 

Die Eheleute hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Erben eingesetzt und als Schlusserben nach dem Letztversterbenden ihren einzigen gemeinsamen Sohn. In dem Testament war festgehalten worden, dass die Eheleute berechtigt seien, die Regelung im Falle von „familiären Zuwiderhandlungen“ des Sohnes zu annullieren.

 

Nachdem die Ehefrau nach langjähriger Ehe verstorben war, hat der Ehemann vor seinem Tode seinen Sohn und seine Lebensgefährtin, mit der er zusammenlebte und bereits vor dem Tod seiner Ehefrau eine mehrjährige ehewidrige Beziehung hatte, zu je ½ als Erben eingesetzt. Der vorverstorbenen Ehefrau war diese Beziehung, unter der sie erheblich gelitten hatte, bekannt. Der Sohn stand auf der Seite seiner Mutter. In einem Entwurf zu seinem Testament hatte der Ehemann und spätere Erblasser als Begründung für die Annullierung des gemeinsamen Testamentes angegeben, der Sohn habe ihn in den letzten zwei Jahren nur viermal besucht und sich auch sonst nicht um ihn gekümmert. Hierin sähe er eine „familiäre Zuwiderhandlung“.

 

Das Oberlandesgericht Bamberg hat entschieden, dass das nachträgliche Testament des Erblassers unwirksam sei, da kein Grund für einen Widerruf der alleinigen Erbeinsetzung des Sohnes bestanden hätte. Der Ehemann müsse sich an den Beweggründen, den die Eheleute zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinsamen Testaments hatten, festhalten lassen. Bereits nach dem Wortlaut des gemeinschaftlichen Testaments sei hiervon nicht auszugehen, da die zur Annullierung führende Zuwiderhandlung sich gegen den Familienfrieden richten musste.

 

Hiervon könne keine Rede sein, da das Zerwürfnis mit dem Sohn sich lediglich auf den Vater bezogen habe. Grund sei die außereheliche Beziehung zu seiner späteren Lebensgefährtin. Dies sei kein Angriff auf den Familienfrieden, den die Eheleute bei der Formulierung des Testaments hatten schützen wollen.

 

 

22. Oktober 2016

Ist ein Urlaubsabgeltungsanspruch bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis vererblich?

Arbeitsrecht, Erbrecht

(BAG: EuGH-Vorlage v. 18.10.16 – 9 AZR 196/16)

Nach deutschem Recht erlischt der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers mit dem Tod, so dass er sich nicht in einen Urlaubsabgeltungsanspruch, der gemäß § 1922 Abs. 1 BGB vererblich wäre, umwandeln kann. Nach widersprechender Praxis des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellt sich die Frage, ob die deutsche Rechtslage im Hinblick auf Unionsrecht (Art. 7 Abs.2 2003/88/EG)  zu halten ist. Denkbar ist, dass der EuGH eine Vererblichkeit verneint, wenn dies nach nationalem Recht ausgeschlossen ist. Dennoch bleibt mit Spannung zu erwarten, wie die Entscheidung ausfällt.

27. Juli 2016

Testamentsanfechung – Reichweite?

Erbrecht

(OLG Schleswig, Beschluss vom 07.12.2015 – 3 Wx 108/15)

Wurde nach § 2079 S. 1 BGB ein Testament erfolgreich angefochten, folgt hieraus regelmäßig, dass der gesamte letzte Wille nichtig ist. Regelungen des Testaments bleiben nur dann wirksam, wenn festgestellt wurde, dass sie vom Erblasser auch getroffen worden wären, wenn er bei Abfassung des Testaments von einem weiteren Pflichtteilsberechtigten gewusst hätte.

 

 

22. April 2016

Erbrecht: Nachweis der Erbenstellung

Erbrecht

(BGH, Urteil vom 05.04.2016 – XII ZA 440/15)

Die Einsetzung als Erbe kann auch durch Vorlage eines eröffneten handschriftlichen Testaments nachgewiesen werden, sofern hierdurch eindeutig die Erbenstellung nachgewiesen werden kann.

 

 

16. Juni 2015

Wann sind Eheverträge sittenwidrig?

Erbrecht, Familienrecht

(Kammergericht, Beschluss vom 26.02.2015, 13 WF 263/14)

In Fällen, in denen ein Ehegatte als Selbständiger voraussichtlich seine Altersversorgung durch Bildung von grundsätzlich dem Zugewinnausgleich unterfallenden Vermögen betreiben wird, während der andere Ehegatte voraussichtlich zur Altersversorgung lediglich Rentenanwartschaften erwerben wird, führt der ehevertragliche Ausschluss des Zugewinnausgleichs unter Beibehaltung des Versorgungsausgleichs zum einseitigen Ausschluss eines Ehegatten von der Teilhabe an der Altersvorsorge des anderen Ehegatten im Scheidungsfall. In einem solchen Fall liegt ein einseitige Lastenverteilung und durch den einseitigen Ausschluss der späteren Teilhabe an der erworbenen Altersvorsorge ein Eingriff in den Kernbereich der Scheidungsfolgen vor.

Eine Störung der subjektiven Vertragsparität liegt nicht schon dann vor, wenn der benachteiligte Ehegatte die Bedeutung und Tragweite des Abschlusses eines Vertrages grundsätzlich erkennt, die konkreten Vertragsbestimmungen jedoch nicht versteht, und sodann weitere Beratung und Aufklärung vor Abschluss des Ehevertrages deshalb nicht einholt, weil er seinem Ehegatten „blind“ vertraut. Der bewusste Verzicht darauf, im Rahmen der Vertragsverhandlungen selbst oder durch Berater die eigenen Interessen zu wahren, rechtfertigt nicht schon die Bejahung des subjektiven Sittenwidrigkeitselements.

 

19. November 2014

Wirksamkeit einer testamentarischen Anordnung

Erbrecht

(OLG Köln, Beschluss vom 09.07.2014, 2 Wx 188/14)

Die testamentarische Anordnung „wer mir in den letzten Stunden beisteht, übergebe ich alles“, ist nicht hinreichend bestimmt und enthält keine wirksame Bestimmung eines Erben durch den Erblasser.

17. August 2014

Ehegattentestament und Pflichtteilsstrafklausel

Erbrecht

(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Januar 2014 – Wx 64/13)

Erbstreitigkeiten haben ihre Ursache vielfach in unklaren Bestimmungen der Erblasser. Die Auseinandersetzung der drei Geschwister über die Einsetzung als Erben nach dem Tod ihrer Eltern hätte sich durch einen einzigen klarstellenden Satz leicht vermeiden lassen. Stattdessen hatte das Oberlandesgericht den Erbvertrag auszulegen und war hierbei zu dem Ergebnis gelangt, dass nur eines der Kinder alleiniger Erbe wurde. Was war der Hintergrund?
Die Eheleute hatte sich wechselseitig zu Erben eingesetzt und damit die Kinder von der Erbfolge ausgeschlossen; zugleich hatten sie bestimmt, dass ein Kind, das nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil forderte, nach dem Tod des Letztversterbenden „ebenfalls nur den Pflichtteil erhalten“ sollte. Eine Bestimmung, wer Erbe nach dem Tod des Letztversterbenden sein sollte (sog. Schlusserbe), fehlte. Nach dem Tod ihres Ehemannes hatte die Mutter in einem privatschriftlichen Testament eines der Kinder zu ihrem alleinigen Erben bestimmt.
„Strafklauseln“ in letztwilligen Verfügungen von Ehegatten sind üblich. Der Überlebende soll nach Möglichkeit vor Pflichtteilsansprüchen geschützt werden, weil diese durch Barzahlung auszugleichen sind. Die damit verbundene hohe Belastung des Erben zwingt diesen nicht selten, das zum Nachlass gehörende Eigenheim zu verkaufen, um den oder die Pflichtteilsansprüche zu befriedigen.
Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass die Pflichtteilsstrafklausel als solche nicht als Anhaltspunkt ausreichte, um von einer stillschweigenden Erbeinsetzung aller Kinder auszugehen. Deshalb war die Mutter nicht durch den Ehevertrag gehindert, ihren Erben durch ein nachträgliches Testament selbst zu bestimmen.
Die Entscheidung des OLG betrifft keinen Einzelfall. Unklarheiten dieser Art beschäftigen die Gerichte immer wieder mit unterschiedlichen Ergebnissen. Durch eine klare Aussage, wer Schlusserbe sein solle, wäre vermieden worden, dass das Gericht zu einer Auslegung gelangt, die dem Willen der Erblasser möglicherweise nicht entsprach.