Auslegung von Testamenten
(OLG Bamberg, Beschluss vom 14.10.2020 – 3 W 43/20)
Die Eheleute hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Erben eingesetzt und als Schlusserben nach dem Letztversterbenden ihren einzigen gemeinsamen Sohn. In dem Testament war festgehalten worden, dass die Eheleute berechtigt seien, die Regelung im Falle von „familiären Zuwiderhandlungen“ des Sohnes zu annullieren.
Nachdem die Ehefrau nach langjähriger Ehe verstorben war, hat der Ehemann vor seinem Tode seinen Sohn und seine Lebensgefährtin, mit der er zusammenlebte und bereits vor dem Tod seiner Ehefrau eine mehrjährige ehewidrige Beziehung hatte, zu je ½ als Erben eingesetzt. Der vorverstorbenen Ehefrau war diese Beziehung, unter der sie erheblich gelitten hatte, bekannt. Der Sohn stand auf der Seite seiner Mutter. In einem Entwurf zu seinem Testament hatte der Ehemann und spätere Erblasser als Begründung für die Annullierung des gemeinsamen Testamentes angegeben, der Sohn habe ihn in den letzten zwei Jahren nur viermal besucht und sich auch sonst nicht um ihn gekümmert. Hierin sähe er eine „familiäre Zuwiderhandlung“.
Das Oberlandesgericht Bamberg hat entschieden, dass das nachträgliche Testament des Erblassers unwirksam sei, da kein Grund für einen Widerruf der alleinigen Erbeinsetzung des Sohnes bestanden hätte. Der Ehemann müsse sich an den Beweggründen, den die Eheleute zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinsamen Testaments hatten, festhalten lassen. Bereits nach dem Wortlaut des gemeinschaftlichen Testaments sei hiervon nicht auszugehen, da die zur Annullierung führende Zuwiderhandlung sich gegen den Familienfrieden richten musste.
Hiervon könne keine Rede sein, da das Zerwürfnis mit dem Sohn sich lediglich auf den Vater bezogen habe. Grund sei die außereheliche Beziehung zu seiner späteren Lebensgefährtin. Dies sei kein Angriff auf den Familienfrieden, den die Eheleute bei der Formulierung des Testaments hatten schützen wollen.