5. August 2021

Arglisthaftung beim Gebraucht-Wohnungs-Kauf

Immobilienrecht

(LG Münster, Urteil vom 28.10.2020 – 2 O 627/19)

1. Eine Abweichung im Exposé gegenüber dem Plan einer inzwischen durch einen Durchbruch überholten veralteten Teilungserklärung kann eine unbeachtliche Falschbezeichnung (falsa demonstratio) darstellen.
2. Der Standard-Gewährleistungsausschluss im notariellen Kaufvertrag über eine gebrauchte Wohnung greift nicht bei Arglist (§ 444 BGB).
3. Auch wenn der Käufer grob fahrlässig offensichtliche Mängel nicht kennt, kann die Haftung mit der Folge eines Rücktrittsrechts und Schadensersatzes wieder in vollem Umfange aufleben (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB).
4. Selbst wenn der Käufer im Notarvertrag bestätigt hat, die Teilungserklärung erhalten zu haben und zu kennen, kommt es auf die tatsächliche Übergabe an.
5. Gedanklich ist eine Anfechtung wegen Arglist nach § 123 Abs. 1 BGB zwar vorrangig zu prüfen. Im Urteil kann eine Ablehnung eines solchen Rechts aber auch nach der Ablehnung des behaupteten Rücktrittsrechts erfolgen.
6. Die Anfechtung wegen Arglist setzt zusätzlich zu den Voraussetzungen eines Wiederauflebens der Gewährleistung voraus, dass die Täuschung oder Verletzung einer Offenbarungspflicht für den Vertragsschluss kausal war.
7. Ein fehlendes Motiv für ein Verschweigen spricht gegen eine arglistige Täuschung und rundet eine Klageabweisung ab.

11. Juni 2021

Deutliches sichtbares Stufenelement muss nicht (zusätzlich) markiert werden!

Immobilienrecht

(OLG Hamm, Urteil vom 09.04.2021 – 7 U 76/19)

Eine rund 10 cm hohe Treppenstufe in einem 8,45 m langen Zuweg zu einem Hauseingang auf einem rund 13 cm hohen Absatz eines Mehrfamilienhaus begründet keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle, wenn sich diese – wie hier – auch in der Morgendämmerung optisch deutlich durch ihre Ausgestaltung als ein sich über die gesamte Wegbreite erstreckendes Element von dem im Übrigen gepflasterten Weg absetzt.*)

16. Mai 2021

Rechte des Mieters bei corona-bedingter Schließung

Immobilienrecht, Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht

(LG Lüneburg, Urteil vom 17.11.2020 – 5 O 158/20)

1. Corona-bedingte Geschäftsschließungen stellen weder einen Mietmangel noch einen Fall der Unmöglichkeit dar.
2. Corona-bedingte Schließungen können eine Vertragsanpassung rechtfertigen. Hierbei sind die Länge der Schließung, die Möglichkeit des Onlineverkaufs, die Reduzierung der Umsatzsteuer zur Umsatzsteigerung sowie die Möglichkeit staatlicher Hilfen und Betriebsausgabenreduzierung (Kurzarbeit) zu berücksichtigen, zudem, dass der Vermieter weiterhin für Erhaltungsmaßnahmen voll einzustehen hat.

12. November 2019

Miteigentumsrecht

Familienrecht, Immobilienrecht

(OLG Bremen, Beschluss vom 22.08.2017, 5 WF 62/17)

Steht eine Immobilie im gemeinsamen Eigentum von Eheleuten, hat ohne die Geltendmachung eines wichtigen Grundes der Ehegatte, der die Immobilie verlassen hat, keinen Anspruch auf Zutritt.

Ein derartiger Grund liegt nicht vor, wenn der Ehegatte die Immobilie gemeinsam mit einem Immobilienmakler besichtigen will, um das Objekt zu veräußern, der andere Ehegatte der Veräußerung widerspricht und das Teilungsversteigerungsverfahren betreibt.

 

7. Februar 2017

Mitteilung unrichtiger Objektangaben durch Makler: Schadensersatzpflicht gegenüber dem Verkäufer?

Immobilienrecht

(BGH, Beschluss vom 10.11.2016 – I ZR 235/15)

Übermittelt der (Doppel-)Makler unter Verstoß gegen seine Prüfungspflichten einem Kaufinteressenten unrichtige, für die Vermarktung nachteilige Informationen, verletzt er den mit dem Verkäufer bestehenden Maklervertrag.

Wie weit die Unterrichtungspflicht zu ziehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, IMR 2007, 132). Insbesondere verletzt der Makler seine Pflichten, wenn er Eigenschaften des Objekts behauptet oder sonstige Informationen über dieses erteilt, ohne sich die dabei erforderlichen Grundlagen verschafft zu haben. Fehlen ihm diese, muss er diesen Umstand offenlegen (BGH, IBR 2001, 93; IMR 2007, 132). Übermittelt der Makler unter Verstoß gegen seine Prüfungspflichten unrichtige Objektinformationen an einem Kaufinteressenten, kann hierin zugleich auch eine Pflichtverletzung gegenüber dem Verkäufer bestehen.

Die Entscheidung zeigt anschaulich die Haftungsrisiken des Maklers im Nachweis- und Vermittlungsgeschäft auf. Der Makler ist zwar nicht verpflichtet, die Objektangaben des Verkäufers zu überprüfen, er kann sie – soweit nicht Plausibilitätsgründe entgegenstehen – an den Kaufinteressenten weitergeben (BGH, IMR 2007, 132). Dies muss aber ordnungsgemäß geschehen und führt bei fehlerhafter Übermittlung nicht nur zu Haftungsrisiken gegenüber dem Kaufinteressenten, sondern, wie der Streitfall verdeutlicht, auch gegenüber dem Verkäufer. Macht der Makler unwissentlich falsche Angaben und erfährt er nachträglich von deren Unrichtigkeit, muss er dies unverzüglich gegenüber dem Maklerkunden berichtigen.

2. Dezember 2016

Grundstückskauf: Arglistiges Verschweigen zu beweisen, ist sehr schwer!

Immobilienrecht

(OLG Brandenburg, Urteil vom 16.06.2016 – 5 U 5/14)

Wird ein Baugrundstück verkauft, stellt ein dort unter der sichtbaren Bebauung verborgener Bunker in der Regel einen Mangel dar. Wurde ein Gewährleistungsausschluss vereinbart und will der Käufer den Verkäufer wegen arglistigen Verschweigens des Mangels gleichwohl in Anspruch nehmen, obliegt ihm die volle Darlegungs- und Beweislast.

Ein Verkäufer war Eigentümer eines Grundstücks, auf dem unterhalb der sichtbaren Bebauung ein Bunker verborgen war. Dieses Grundstück verkaufte er einem Käufer als Baugrundstück. Im Kaufvertrag schlossen Verkäufer und Käufer die Gewährleistung aus. Im Zuge des Abbruchs der Bebauung verursachte dieser Bunker Mehrkosten. Diese Mehrkosten klagte der Käufer vom Verkäufer ein.

Der Käufer bleibt auf den Mehrkosten für den Abbruch sitzen! Zwar stellt es einen Mangel dar, wenn auf einem Baugrundstück ein verborgener Bunker vorhanden ist. Jedoch kann der Käufer den Verkäufer wegen eines solches Mangels bei einem vereinbarten Gewährleistungsausschluss nur dann in Anspruch nehmen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Insofern trifft den Käufer die Darlegungs- und Beweislast. Der Verkäufer trägt allein die „sekundäre Darlegungs- bzw. Behauptungslast“. Das heißt der Verkäufer muss lediglich nachvollziehbar darlegen, wie er den Käufer über den betreffenden Sachverhalt aufgeklärt haben will, beweisen muss er dies jedoch nicht. Es ist vielmehr Sache des Käufers, vollständig zu beweisen, dass diese behauptete Aufklärung nicht stattgefunden hat. Gelingt es dem Käufer nicht, das Gericht davon zu überzeugen, dass die „Geschichte“ des Verkäufers nicht stimmt, kann er keine Ansprüche geltend machen.

1. Mai 2016

Immobilienkauf: Aufklärungspflicht des Verkäufers über wertbildende Faktoren?

Immobilienrecht

(KG, Urteil vom 17.12.2015 – 22 U 272/13)

Der Käufer hat einen Schadensersatzanspruch, wenn ein zur Wohnnutzung ausgebauter Dachboden gemäß der Teilungserklärung nicht zum Wohnen genutzt werden darf und der Verkäufer dies nicht offenbart. Der Verkäufer einer Immobilie muss den Käufer über alle ihm bekannten entscheidungsrelevanten Tatsachen, insbesondere über unrichtige oder nicht eindeutige Angaben im Exposé, aufklären, wenn er sich nicht schadensersatzpflichtig machen will. Die Entscheidung des KG ist stimmig und steht auch nicht im Widerspruch zu der nur gut einen Monat zuvor ergangenen Entscheidung des BGH (IMR 2016, 120). Danach sind Angaben des Verkäufers, die vor dem Vertragsschluss z. B. in einem Exposé getätigt werden, keine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB und können keine Mängelansprüche auslösen. In seinem Urteil gibt der BGH jedoch deutlich zu verstehen, dass solche Angaben gleichwohl eine Haftung des Verkäufers wegen Verletzung seiner Aufklärungspflichten begründen können und diese Haftung neben etwaigen Mängelansprüchen steht.

 

 

28. März 2016

OLG Koblenz: Kein Wucher, wenn Käufer die Immobilie nicht besichtigt!

Immobilienrecht

(OLG Koblenz, Beschluss vom 30.09.2015 – 1 W 515/15)

Die aus einem Äquivalenzmissverhältnis begründete tatsächliche Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten kommt dann nicht zum Tragen, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist (Anschluss an BGH, NJW-RR 2011, 880). Besondere Gründe können darin liegen, dass der Käufer die Immobilie nicht besichtigte und den Angaben eines „Vermögensberaters“ zum Wert blind vertraute sowie ein Notleiden der Wohnungsfinanzierung nicht ersichtlich ist. Ein Vertragspartner darf darauf vertrauen, dass sein künftiger Vertragspartner sich im eigenen Interesse über den angemessenen Preis kundig machen wird.

Der Käufer erhält hier mangels Erfolgsaussichten keine Prozesskostenhilfe. Der Kaufvertrag war nicht als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Ein wucherähnliches Geschäft setzt eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten voraus. Diese wird bei einem auffälligen Missverhältnis tatsächlich vermutet, weil überhöhte Leistungen normalerweise nicht ohne Not gewährt werden. Die Vermutung kann aber durch besondere Umstände widerlegt werden. So wird eine Partei nicht geschützt, die zwar die Fähigkeit hat, die Vor- und Nachteile eines Rechtsgeschäfts einzuschätzen, diese Fähigkeiten aber nur unzureichend einsetzt (BGH, Urteil vom 23.06.2006 – V ZR 147/05, IMRRS 2006, 1392, Tz. 28). Dieser Obliegenheit kam der Käufer nicht nach, weil er ohne vorherige Besichtigung erwarb und sich auf die Erläuterungen des „Vermögensberaters“ verließ. Außerdem war die Bank zur Finanzierung des Kaufvertrags bereit.
Die Entscheidung erscheint zweifelhaft, da das OLG Koblenz die Anforderungen an die Nachforschungsobliegenheiten des Benachteiligten über die wirtschaftliche Rentabilität eines Rechtsgeschäfts überspannt.
20. Februar 2016

OLG Hamm: Einsichtsrecht in das Grundbuch bei Ansprüchen gegen Eigentümer!

Immobilienrecht

(OLG Hamm, Beschluss vom 23.09.2015 – 15 W 293/15)

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Es kann ausreichen, wenn dargelegt wird, dass die Einsichtnahme in das Grundbuch der Prüfung dienen soll, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Ansprüche gegen den Grundstückseigentümer bestehen können.

Die Antragstellerin begehrt Einsichtnahme in das Grundbuch und Zurverfügungstellung eines aktuellen Grundbuchauszugs. Sie macht geltend, ein landwirtschaftlicher Gutshof sei möglicherweise im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihren Bruder oder eine sonstige Person übertragen worden. Die Einsichtnahme solle dazu dienen, mögliche höferechtliche Nachabfindungsansprüche geltend zu machen, sofern ihr Bruder Grundstückseigentümer sei. Gegen den ablehnenden Beschluss legt die Antragstellerin erfolgreich Beschwerde ein. Der Senat weist das Grundbuchamt an, Einsichtnahme zu gewähren und der Antragstellerin einen Grundbuchauszug zur Verfügung zu stellen. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein Solches ist nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann. § 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. In Zweifelsfällen ist auch zu berücksichtigen, dass der in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht Betroffene grundsätzlich vor der Gewährung der Einsicht nicht gehört wird und ihm gegen die Gewährung auch kein Beschwerderecht zusteht. In diesem Zusammenhang sind die berechtigten Belange des Antragstellers gegen das Interesse des Eigentümers abzuwägen. Es kann ausreichen, wenn dargelegt wird, dass die Einsichtnahme in das Grundbuch der Prüfung dienen soll, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Ansprüche gegen den Grundstückseigentümer bestehen können. Zuständig für Anträge auf Einsicht und Erteilung von Abschriften ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§ 12c GBO).

28. Januar 2016

Mietsicherheit: Zahlung einer (Bar-)Kaution und Bürgschaftserklärung der Eltern sind (zusammen) unzulässig

Immobilienrecht, Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht

(AG Neustadt/Rübenberge, Urteil vom 28.09.2015 – 41 C 630/15)

Verlangt der Vermieter neben einer Barkaution in Höhe von drei Kaltmieten noch (zusätzlich) eine Bürgschaftserklärung der Eltern der Mieterin, ist dies unzulässig. Der zwischen den Parteien geschlossene Bürgschaftsvertrag ist wegen Übersicherung gem. § 134 BGB nichtig. Gemäß der gesetzlichen Regelung (§ 551 Abs. 1 BGB) darf die Mietsicherheit höchstens das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Miete ohne die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten betragen. Darüber hinaus ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam (vgl. § 551 Abs. 4 BGB). Der Vermieter argumentierte hier mit verschiedenen Personen. Ausweislich der selbstschuldnerischen Bürgschaft galt diese jedoch für sämtliche Zahlungsansprüche aus dem Mietverhältnis und war Voraussetzung für den abzuschließenden Mietvertrag. Insoweit handelt es sich hier um eine Besicherung derselben Sache. Diese zusammengerechnet darf den nach § 551 Abs. 1 BGB höchst zulässigen Betrag nicht überschreiten (Kumulationsverbot). Insoweit war der Vermieter zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verpflichtet.