13. Juli 2022
Vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt für Sonderzahlungen muss Individualabreden ausnehmen
Arbeitsrecht
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.01.2022 – 9 Sa 66/21 (Revision anhängig)
Es bestand Streit über Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, nachdem über fünf Jahre ohne weiteren Vorbehalt entsprechende Sonderzahlungen getätigt wurden. Im Arbeitsvertrag fand sich folgende Klausel:
„Die Zahlung von Sonderzuwendungen insbesondere von Weihnachts- und/ oder Urlaubsgeld liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, auch wenn die Zahlung mehrfach und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt.“
Das Gericht entschied im Einklang mit dem BAG (Urt. vom 14.09.2011 – 10 AZR 526/10), dass eine konkludente Vertragsänderung vorliege. Die einfache Schriftformklausel des Arbeitsvertrags stehe der konkludenten Vertragsänderung nicht entgegen. Die Klausel sei wegen Verstoßes gegen § 305b BGB insoweit unwirksam, als sie abweichende Individualabreden verhindere. Auch der arbeitsvertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt stehe der konkludenten Vertragsänderung nicht entgegen. Zwar erfasse er keine monatlichen Zahlungen, sondern nur einmalige Sonderzahlungen. Die Klausel sei aber wegen einer falschen Darstellung der Rechtslage intransparent und verstoße gegen § 307 I 2 BGB. Darüber hinaus benachteilige sie den Kläger unangemessen. Der Freiwilligkeitsvorbehalt mache nicht deutlich, dass auf Sonderzuwendungen jedenfalls dann ein Anspruch bestehe, wenn diese zuvor zwischen den Parteien individuell vereinbart worden seien. Um wirksam zu sein, müsse ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich darauf hinweisen, dass spätere Individualabreden über vertraglich nicht geregelte Gegenstände nicht vom Freiwilligkeitsvorbehalt erfasst seien. Soll das Entstehen eines Anspruchs aus einer konkludenten individuellen Vertragsänderung rechtssicher verhindert werden, muss der Arbeitgeber jeweils bei Auszahlung der Sonderzahlung auf die Freiwilligkeit der Leistung hinweisen. Aus Nachweisgründen sollte dies schriftlich geschehen.